Freitag, 4. Mai 2012

Mein Dackel wog 6 Zentner - Blog von Kiat Gorina


Ja, mein Dackel wog wirklich sechs Zentner, hatte eine Schulterhöhe von 120 und war silberweiß.
Nein, ich bin nicht besoffen und dieses Wundertier hat es wirklich gegeben. 
Eigentlich hieß er Dorian. Ich hatte den kleinen Kerl am Schlachthof entdeckt. Ganze hundert Mark musste ich für das jämmerliche Gerippe hinblättern. Und nur drei Jahre später hatte ich einen zuverlässigen Kameraden, mit dem ich weite Ritte unternahm. Der Name "Dackel" hat oft zu komischen Verwechslungen geführt. Wenn ich irgendwo zu Besuch war und sagte: "Ich muss bald weiter, weil ich Dackel draußen angebunden habe", hieß es gleich: "Hol ihn doch rein, uns stört er nicht." Lieber nicht, so ein ausgewachsenes Pony gehört nicht ins Haus.
Er hieß Dackel, weil er eine besondere Vorliebe für Bratwurst, Steaksemmeln und Wiener Würstchen hatte. Und weil er bei anderen Leuten ein ausgekochtes Schlitzohr war. 
Ich muss heute noch lachen, wenn ich an die Sache mit meiner Bekannten Heidrun denke. Die hatte sich beim Reitverein ein Pferd gemietet, damit wir zusammen ausreiten konnten. Wotkin, ein eleganter langbeiniger Fuchswallach aus Russland. Das war ein ganz feines Pferd, intelligent, pfiffig und eifrig. 
Heidrun besaß im Gegensatz zu mir eine richtige Reitausrüstung, sprich Reithosen, Reitstiefel und Reithelm. Und sie war größer als ich - das ist aber keine Kunst, ich bin halt etwas kurz geraten. 
Missbilligend beäugte sie meine Bundeswehrhosen und die gelben Gummistiefel, auf denen zu allem Überfluss noch GOOFY in bunten Buchstaben gedruckt war. Tja, mit Schuhgröße 34 kriegt man selten Schuhe ohne irgendwelche Kitschfigürchen drauf.
Heidruns Blick sprach Bände, lange konnte es nicht mehr dauern.
Aha! Hatte ich es doch geahnt! "Hoffentlich entsprechen deine Reitkünste nicht deinem Aussehen! So kann man doch nicht gut und richtig reiten!" Hochnäsig sah sie von Wotkins Rücken auf uns herunter. "Nicht?", staunte ich, "komisch, das ist mir noch gar nicht aufgefallen ..."
Wir zuckelten los und kamen irgendwie einfach nicht vom Fleck. Das lag aber nicht an Dackel. Der verlor langsam den Spass am Ausritt, weil wir alle paar hundert Meter auf den viel größeren langbeinigen Wotkin warten mussten. Ich mochte auch nicht mehr. Stehpartys waren noch nie mein Fall.
"Nun mach mal Tempo, wir schlagen hier langsam Wurzeln", knautschte ich Heidrun an. "Oder sind deine teuren Reithosen so klebrig, dass ihr an jedem Baum kleben bleibt?" 
"Der Gaul taugt nichts! Da, probier es selbst, vielleicht läuft dieses Schaukelpferd ja bei dir besser!" Damit sprang sie von Wotkin und hielt mir auffordernd seine Zügel hin. Mit dem Ausdruck tiefster Verachtung hockte sie sich auf Dackel. Und ich erklomm Wotkin. Hoppla, mit so kurzen Steigbügeln würde ich mir ja das Kinn an den Knien aufschlagen!
Wie konnte jemand mit so viel längeren Beinen mit so kurzen Bügeln klar kommen. Wir waren doch nicht auf dem Pferderennen.
So, Bügel länger und - o Freude! Wotkin marschierte mit großen Schritten los, die Ohren gespitzt. Also Galopp. Ein wunderbares Pferd! Lange Galoppsprünge, ohne sich auf den Zügel zu legen. Und schnell! Im Nu waren wir am Wald entlang, zweimal abgebogen und fröhlich weiter galoppiert - da, ja, da fiel mir auf, dass etwas fehlte. Hatten wir Dackel wirklich so weit abgehängt? Konnte eigentlich nicht sein. Er hatte zwar kürzere Beine, ließ sich aber niemals abhängen. Dafür rannte er zu gern. Wir kehrten um. Wo war Dackel mit Heidrun? Lag sie womöglich im Graben? War den beiden etwas zugestoßen? Ahnungsvoll bog ich um die letzte Ecke, und da ... Nein, keine hingestreckte Leiche. Dackel war einfach seelenruhig mitsamt Heidrun auf die nächste Wiese abgebogen und fraß und fraß und fraß. Da nutzt auch die teuerste Reithose nichts. Ponys reiten muss man können.
Hochgeladen von baukiki am 26.07.2008

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