Montag, 4. März 2013

Vaterns Federbett und ein Cafébesuch - Blog von Kiat Gorina


Wie bin ich bloß auf diese bescheuerte Idee gekommen, meinen Vater nach Mögersbronn einzuladen? Er war doch gut versorgt. Gleich nach Mutterns Tod zog seine alte Freundin bei ihm ein, so allein konnte er eigentlich nicht sein. 

Als er mir wieder einmal telefonisch die Bude unter Wasser setzte, will sagen dauerschluchzte, fuhr ich kurzerhand nach Detmold, packte Vatern und ein halbes Dutzend Koffer in seinen Mercedes und kutschierte ihn gen Süden. Halt, das Wichtigste hätte ich fast wieder vergessen: Vaterns maßangefertigtes Federbett nämlich.

Genau das war mir einen Tag nach Mutterns Beerdigung passiert. Da hatte ich Vatern samt Winterkleidern und seiner Beruhigungspillen-Sammlung in seinen Mercedes verfrachtet, um ihn mit nach Bayern zu nehmen. 

Zuerst ging auch alles gut. Wir waren schon am Südkreuz Kassel, da krähte Vatern los: “Wo ist mein Federbett! Wir haben mein Federbett vergessen!” 

Ich wollte ihn beruhigen und meinte: “Das kriegst du von uns. Du brauchst doch nicht dein eigenes Bettzeug mitnehmen …” 

“Das verstehst du nicht! Ich bin besonders groß gewachsen, deshalb habe ich mir extra ein überlanges Federbett von 2,2 m Länge anfertigen lassen! Die normalen Bettdecken sind für mich zu kurz!” 

Das verstand ich wirklich nicht. Vatern mit seinen 1,82 m war doch kein Riese. Arglos wollte ich auf die A 7 auffahren, und Vatern gab Ruhe. Erstmal. Bis er merkte, dass wir immer weiter gen Süden fuhren und uns immer weiter von seinem Federbett entfernten! 

“Halt sofort an! Kehr um! Ich will mein Bett!”  Dabei hantierte er schon am Sicherheitsgurt und wollte die Tür öffnen. Was ihm auch gelang. Offenbar wollte er in voller Fahrt aussteigen und zurücklaufen. 

Ich brüllte los, warf mich halb über ihn und schaffte es irgendwie, die Tür wieder zu schließen. Dass es dabei keinen Unfall gab, ist fast ein Wunder!. 

An der nächsten Abfahrt fuhren wir die ganze Strecke wieder zurück nach Detmold, bloß wegen dieser dämlichen Bettdecke! Wir waren verdammt lange unterwegs, weil es dann ab Würzburg sehr glatt auf den Straßen wurde.

Diesmal war Sommer, und das blöde Federbett hatte ich auch eingepackt. So stand Vaterns Erholung nichts mehr im Wege. 

Siehe da, er lebte förmlich auf! Rothenburg, das Taubertal, Dinkelsbühl, und ... und … und. Friede, Freude, Eierkuchen! Von wegen! Erst war ihm mein kleiner alter Polo keine “angemessene Reisekalesche” (sein Mercedes musste sich schließlich für die Rückfahrt erholen), dann war ich ihm auch keine 24 Stunden täglich zu Diensten. So entschloß er sich nach nur drei Wochen, doch lieber wieder nach Haus zu fahren. 

“Ich war ja nun mehrere Tage bei Euch, und habe einiges Schönes erlebt. Deshalb fahren wir morgen früh nach Feuchtwangen, da will ich dir eine Freude machen!” Nanu, welch seltsame Töne aus Vaterns erlauchtem Munde. Wo war der Haken? 

So fuhren wir in die Stadt, sogar mit Vaterns heiliger Limousine. Mit dem unhandlichen Mercedes wollte ich mich nicht auf meinen üblichen Parkplatz in der Altstadt zwängen. So mussten wir eben fünf Minuten gehen. 

Zielsicher steuerte Vatern auf das Kreuzgangcafé am Marktplatz zu, schaute etwas verdutzt und rüttelte dann an der verschlossenen Tür: “Unverschämtheit! Es ist fast Mittag, und die haben noch nicht auf!” 

Er rappelte immer heftiger an der Tür, und mir wurde es schwül. “Papa, hör auf! Die haben geschlossen, und da kannst du auch nichts dran ändern ...”

Die ersten Leute blieben auch schon neugierig stehen. “Ich will jetzt meinen Kaffee haben, ich trinke immer um diese Zeit meinen Kaffee!”, zeterte er weiter, “wie kommen wir da rein?!” 

“Einbrechen”, wäre es mir fast heraus gerutscht. Aber ich kannte meinen Vater zu gut, wenn er so in Rage war, machte er womöglich genau das. 

“Och, da stellst du am besten im Rathaus einen Antrag, dass wegen dir die Cafes auch am Montag öffnen müssen. Ich glaube aber nicht, dass du damit was erreichst. Der Montag ist nun mal in sämtlichen Gaststätten Ruhetag. Denk doch mal an das Personal!” 

“Das ist mir egal! Ich will jetzt meinen Kaffee!” 

Au weia, langsam wurde die Sache brenzlig. Da blieb nur eines übrig, ich musste Vatern irgendwie in die italienische Eisdiele lotsen, bevor er vollends “aus dem Häuschen” geriet. Uff, geschafft, Gefahr gebannt. Dachte ich. Von wegen! Ich hatte ganz vergessen, dass Vatern ja nur Carokaffee zu sich zu nehmen pflegte. Und den hatten die Italiener eben nicht. 

“Haben die nicht mal Carokaffee! Was ist das für ein erbärmlicher Laden! Fahr mich sofort nach Haus und koch mir Kaffee! Das ist ein Befehl!” 

Entschuldigend lächelte ich die wartende Serviererin an. “Nach Detmold oder nach Mögersbronn”, fragte ich mit Samtpfötchenstimme, bei der die Krallen nur ganz wenig herausschauen. 

“Nach Detmold natürlich, damit ich pünktlich meinen Caro-Kaffee bekomme, und nicht so ein fremdländisches Zeug!” 

Ich schnappte nach Luft, war Vatern jetzt von allen guten Geistern verlassen? 

“Du weißt aber, dass wir für die Fahrt mindestens vier Stunden brauchen?! Da kommst du gerade mal pünktlich zum Abendbrot, aber nicht zu deinem Vormittagskaffee …” 

“Papperlapapp! Das dauert so lange, weil du so schlecht fährst! Dein Bruder Wotan braucht für die Strecke keine vier Stunden! Er würde mich noch am Vormittag nach Haus bringen! Du bist wirklich zu gar nichts zu gebrauchen!” 

“Papa, jetzt ist es kurz vor 11 Uhr. Bis Detmold sind es 450 Kilometer. Und ich habe keine Lust mehr, mir dein Gezeter die ganze Zeit anzuhören. Hier ist dein Autoschlüssel, mach, was du willst!” Damit wandte ich mich zum Gehen. 

“Halt, willst du mich hier einfach sitzen lassen? So kannst du nicht mit mir umspringen!” 

“Wieso sitzen lassen? Du hast doch dein Auto …” 

“Bring mich sofort zum Wagen! Das ist ein Befehl!” 

“Na, dann komm halt mit. Du weißt doch, dass wir beim Zooladen geparkt haben, da musst du ein Stückchen laufen.” 

Vatern blieb wie angeleimt sitzen. 

“Dann gib mir den Schlüssel wieder, und ich hole das Auto her …” 

“Neiiiin, dann kommst du nicht wieder und ich weiß nicht, was ich dann machen soll...”, wimmerte Vatern auf. 

Seufzend setzte ich mich wieder zu ihm an das Tischchen. “Wie wäre es mit einem schönen Kakao zur Stärkung? Und danach gehen wir zum Auto”, schlug ich vor. obwohl ich diesem sturen alten Querkopf lieber heftig auf seinen spitzen Allerwertesten geschlagen hätte. Vatern war einverstanden und ich bestellte. 

Dann kam die Serviererin mit zwei großen Tassen Kakao und stellte mir als erstes eine Tasse hin. 

Rommms, haute Vatern mit der Faust auf das Tischchen, so dass die Tasse  fast überschwappte:” Wieso nimmst du den Kakao! Den wollte ICH doch!” 

“Ach, Papa, die haben doch so viel Kakao, da kann ich doch auch welchen trinken …” 

Mir war die ganze Geschichte so peinlich, dass ich am liebsten im Erdboden versunken wäre. Zahlen durfte ich am Ende auch noch. Geld hatte er nämlich auch nicht mitgenommen. 

Um dieses Eiscafe machte ich seither einen großen Bogen. Weil die Kellnerinnen jedesmal das große Schmunzeln befiel, wenn ich mich dort sehen ließ.


Hochgeladen am 24.06.2010 von ichilao6

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